«Der Erfolg übertrifft alle Erwartungen»
Chocolats Halba lancierte in Westafrika und Lateinamerika mehrere Anbauprojekte mit einem wegweisenden Ansatz: Die Bäuerinnen und Bauern pflanzen dort Kakao in einer vielfältigen Mischung mit anderen Nutzpflanzen auf derselben Parzelle. Die ersten Erfahrungen sind äusserst erfreulich. Zu Besuch in unserer Partnerkooperative in Ecuador.
Drei Männer zerren mit aller Kraft an der Maniokstaude, bis sie sich endlich rührt und mit einem Ruck die verdickten Wurzeln freigibt. Verblüffend ist nicht bloss, wie viel Körpereinsatz es braucht, um eine gerade mal einen Meter hohe Pflanze zu ernten. Sondern auch, dass der Maniok mitten in einer Kakaopflanzung wuchs.
Wir befinden uns auf der Parzelle von Justino Andrés Pérez, den hier alle Don Andrés nennen. Der kleine Hof des einheimischen Kakaobauern liegt in einer bewaldeten Hügellandschaft, weniger als 100 Kilometer entfernt von der grössten Stadt Ecuadors, Guayaquil. Heute brennt die Sonne vom Himmel. Doch in den letzten Tagen prasselten heftige Regenfälle auf die rote Erde. Ohne Gummistiefel kommt man nicht weit.
Vielfalt, die sich auszahlt
Dass der soeben geerntete Maniok inmitten von Kakaopflanzen Wurzeln schlug, ist keine Laune der Natur. Genauso wenig ist es ein Zufall, dass auf dieser Fläche auch Bananen, Maispflanzen, Bohnen, Süsskartoffeln und einige junge Tropengehölze Seite an Seite wachsen. Denn es ist eine Pilotfläche des Projekts FINCA, das Chocolats Halba Mitte 2015 mit ihren Partnern startete. Es geht darum, den Kakaoanbau auf die sogenannte dynamische Agroforstwirtschaft umzustellen.
Don Andrés ist einer der ersten Bauern der beteiligten Kooperative, die sich auf diese aussergewöhnliche Anbaumethode einliessen. Er absolvierte überdies eine Ausbildung als sogenannter «Facilitador», also Bauerntrainer, der seine Kenntnisse den Kolleginnen und Kollegen weitergeben soll. «Es hat mich zunächst überrascht, wie viele ver- schiedene Pflanzen gleichzeitig angebaut werden können», räumt er ein. Jetzt profitiert er von dieser Vielfalt.
Die dynamische Agroforstwirtschaft ist ein Mischanbau verschiedener Kulturpflanzen, Frucht- und Edelholzbäume auf derselben Fläche. Dabei berücksichtigt man die verschiedenen Lebenszyklen der Pflanzen und pflanzt sie so an, dass sie sich gegenseitig optimal im Wachstum begünstigen. «Die Methode eignet sich besonders für den Anbau von Kakao, wie ihn hier viele Kleinbauern betreiben», erklärt Petra Heid, Verantwortliche für Nachhaltigkeit & Kommunikation bei Chocolats Halba. Die biologische Vielfalt in der Pflanzung verbessert die Ernährungsbasis und die Einkommensmöglichkeiten der Bauern. «Sie können Früchte und Gemüse, die sie zusammen mit dem Kakao kultivieren, entweder selber essen oder auf lokalen Märkten verkaufen.»
«Es hat mich zunächst überrascht, wie viele verschiedene
Pflanzen gleichzeitig angebaut werden können».
Justino Andrés Perez Sanines, Facilitador der Kooperativen UNOCACE

Mit vereinten Kräften ernten Don Andres und zwei Mitarbeiter der Kooperative UNOCACE einen Maniok. Dieser wächst inmitten von Bananen, Edelhölzern und Kakao.

Willkommene Zusatzeinnahmen: Neben dem Kakao können die Bauern nun auch Maniok und andere Kulturpflanzen verkaufen.

Der Mischanbau wirkt sich positiv auf den Kakao aus: Krankheits- und Schädlingsbefall nehmen ab, der Boden ist fruchtbarer, und grössere Bäume spenden dem Kakao genügend Schatten.

Don Andres steigerte mit der dynamischen Agroforstwirtschaft seine Einkünfte. Nun gibt er sein Wissen an andere Bäuerinnen und Bauern weiter.

Den Maniok und die anderen Kulturpflanzen können die Bauern selber konsumieren oder auf dem Markt verkaufen.
«Mit der neuen Methode haben wir weit weniger Ausfälle».
Margoth Borja
Im Einklang mit der Natur
«Nachdem die ersten Pilotflächen schon nach wenigen Monaten schöne Erträge von Nutzpflanzen wie Mais oder Bohnen abwarfen, sind die Bauern voller Begeisterung dabei», berichtet Heid. Der junge Kakao wächst im Vergleich zu herkömmlich bewirtschafteten Pflanzungen wesentlich besser, denn die verschiedenen Arten begünstigen sich gegenseitig in ihrem Wachstum. Durch die Kombination von unterschiedlich schnell wachsenden Pflanzen steigert sich das Einkommen über mehrere Jahre hinweg. Die sehr langsam wachsenden Edelholzbäume dienen den Produzenten schliesslich als eine Art Altersvorsorge.
«Es ist ein Anbau im Einklang mit der Natur, der keine künstliche Bewässerung oder Düngung erfordert», ergänzt Walter Yana vom Beratungsbüro Ecotop. «Durch stetiges Zurückschneiden und Neupflanzen wird das System in einem dynamischen Entwicklungsprozess gehalten.» Was von den Pflanzen geschnitten und nicht geerntet wird, bleibt liegen und verrottet vor Ort. So trocknet der Untergrund nicht aus und die Nährstoffe gelangen in einem natürlichen Kreislauf zurück in
den Boden. Yana nutzt diese Anbaumethode seit über zwanzig Jahren auf seiner Kakaopflanzung in Bolivien. Chocolats Halba verpflichtete ihn als Experten, um seinen Kolleginnen und Kollegen in Ecuador Starthilfe zu geben.
Trügerische Monokulturen
Das tropische Klima bringt nicht bloss Wolkenbrüche mit sich, sondern auch das ganze Jahr Temperaturen von über 20 Grad. Der Mensch schwitzt und braucht Gummistiefel, aber der Kakaobaum liebt diese feuchtwarmen Bedingungen. Die Pflanze stammt ursprünglich aus Lateinamerika. Entsprechend weit ist der Kakaoanbau hier verbreitet. Doch trotz der langen Tradition stehen viele Kleinbauern wie Don Andres – in Ecuador und anderswo – vor einem grossen Problem: Der Kakaoanbau lohnt sich kaum mehr. Und dies, obwohl die weltweite Nachfrage nach Kakao wächst.
Das Problem ist, dass in den letzten Jahrzehnten immer mehr Bauern ihren Kakao in Monokulturen bewirtschaften. Dies in der Annahme, dass sich so die Erträge steigern lassen. Zudem setzen dabei viele auf neu gezüchtete, robustere und vermeintlich ertragreichere Sorten. In Ecuador ist es vor allem die Sorte CCN-51, die auf zahlreichen Parzellen angebaut wird. Zunächst warf CCN-51 tatsächlich eine höhere Ernte ab, aber schon bald breiteten sich Krankheiten und Schädlinge aus und mit der Zeit zehrt der Anbau in Monokulturen die Böden aus. Die Bauern müssen nun ihre Pflanzungen bewässern, düngen und mit Pestiziden behandeln. Dies zwingt sie zu so hohen Ausgaben, dass sich der Anbau unter dem Strich nicht mehr rechnet.
In Monokulturen gehen jedes Jahr 30 bis 40 Prozent der Kakaoernte verloren. Vor diesem Hintergrund sind Ansätze wie die Agroforst-Methode dringend notwendig. «Mit der neuen Methode haben wir weit weniger Ausfälle», berichtet denn auch Margoth Borja, eine weitere Bäuerin und Trainerin im Projekt FINCA. Sie lebt mit ihrer Familie auf einem kleinen Hof in der Berglandschaft um Montalvo. Als Frau musste sie sich die Anerkennung der Bauern erst verdienen. Aber seit sie ihren gekonnten Umgang mit der Kettensäge gesehen haben, hören auch Männer auf ihren Rat, wenn Margoth ihren Hof besucht.
Gut für die Umwelt, besser für die Bauern
«Bislang bildeten wir 10 Trainerinnen und Trainer aus, die zusammen 160 Bauern und Bäuerinnen betreuen», sagt Petra Heid. Bis zum Ende des Projekts sollen es 15 bis 20 Trainer sein. Um die Chancengleichheit zu fördern, legte Chocolats Halba in ihren Projektzielen fest, dass mindestens ein Viertel der ausgebildeten Trainer Frauen sein sollten. Drei wichtige Akteure unterstützen Chocolats Halba bei der Erreichung dieser Ziele: Ihr Mutterhaus Coop finanziert einen grossen Teil des Projekts aus ihrem Nachhaltigkeitsfonds, die schweizerische Stiftung Swisscontact steuert neben Geldern Projektmanagement vor Ort bei und die Berater von Ecotop übernehmen eine wichtige Rolle bei der Ausbildung der Bauern und Bäuerinnen.
Allein im Laufe des vergangenen Jahres pflanzten die Beteiligten zusammen mehr als 110’000 hochwertige Kakao-Setzlinge, 4000 Fruchtbäume sowie 4200 Edelgehölze. «Die bisherigen Resultate übertreffen sämtliche Erwartungen», bilanziert Heid. «Die Bäuerinnen und Bauern konnten die Anzahl einjähriger Kulturpflanzen, Fruchtbäume und Edelhölzer auf ihren Kakaoparzellen massiv steigern.» Meist begannen sie mit einer Viertel Hektare Umstellungsfläche, die sie jedoch zügig erweiterten, als sich der Erfolg der Anbaumethode abzeichnete.
Nach Abschluss des Projekts, Ende 2019, sollen 600 Produzentinnen und Produzenten mindestens 600 Hektaren Kakaopflanzungen nach den Methoden der dynamischen Agroforstwirtschaft bewirtschaften. Dabei werden sie aller Voraussicht nach nicht nur exquisiten Bio-Kakao ernten, sondern auch viel Früchte und Gemüse – und schweiss- treibenden Maniok.
«Es hat mich zunächst überrascht, wie viele verschiedene
Pflanzen gleichzeitig angebaut werden können».
Justino Andrés Pérez Sanines, Facilitador der Kooperativen UNOCACE

Mit vereinten Kräften ernten Don Andrés und zwei Mitarbeiter der Kooperative UNOCACE einen Maniok. Dieser wächst inmitten von Bananen, Edelhölzern und Kakao.

Willkommene Zusatzeinnahmen: Neben dem Kakao können die Bauern nun auch Maniok und andere Kulturpflanzen verkaufen.

Der Mischanbau wirkt sich positiv auf den Kakao aus: Krankheits- und Schädlingsbefall nehmen ab, der Boden ist fruchtbarer, und grössere Bäume spenden dem Kakao genügend Schatten.

Don Andrés steigerte mit der dynamischen Agroforstwirtschaft seine Einkünfte. Nun gibt er sein Wissen an andere Bäuerinnen und Bauern weiter.

Den Maniok und die anderen Kulturpflanzen können die Bauern selber konsumieren oder auf dem Markt verkaufen.
«Mit der neuen Methode haben wir weit weniger Ausfälle».
Margoth Borja

Durch den Anbau verschiedener Kulturpflanzen können die Familien ihr Einkommen diversifizieren und Ernteausfälle beim Kakao besser ausgleichen.

Kochbananen sind eines der Hauptnahrungsmittel in Ecuador. Auf dynamischen Agroforstplantagen spenden die Bananenbäume dem jungen Kakao Schatten.

Ana Jesus Lara bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Mann, Don Andrés, circa fünf Hektar Land. Schritt für Schritt wandeln sie ihre Kakaopflanzungen nach den Methoden der dynamischen Agroforstwirtschaft um.

Chocolats Halba Mitarbeitende sind regelmässig vor Ort und direkte Ansprechpartner für Bauern wie Don Andrés, hier mit seiner Frau Ana Jesus Lara, ihrer Tochter und den Enkelinnen.